Kultursprünge der Vorgeschichte
Die kulturelle und physiologische Entwicklung des Menschen erfolgte nicht allmählich, sondern in großen Sprüngen parallel zu geologisch feststellbaren Polsprüngen. Diese geomagnetischen Veränderungen scheinen die entscheidenden Impulse zu geben für die Entwicklung neuer Arten und Kulturen, man weiß aber nicht, durch welchen biologischen Mechanismus dies geschieht
Alle paar Millionen Jahre wird auf der Erde ein großer Prozentsatz aller Tiergattungen durch eine weltweite Katastrophe ausgelöscht – im Englischen werden diese Ereignisse „mass extinction“ genannt – und durch ganz neue Arten ersetzt. Kleinere „mass extinctions“ gibt es aber auch immer zwischendrin, alle 100.000 bis 10.000 Jahre, die letzte gab es vor 11.000 Jahren zum Ende der Eiszeit. Solche plötzlichen Umbrüche in Klima und Tierwelt werden immer auch von Umkehrungen des geomagnetischen Feldes begleitet, sogenannten „Polsprüngen“. Man vermutet, dass es diese geomagnetischen Veränderungen sind, die die entscheidenden Impulse geben für die Entwicklung neuer Arten, weiß aber noch nicht, durch welchen biologischen Mechanismus dies geschieht. Dass auch eine solche Korrelation zwischen Polsprüngen und der Evolution des Menschen besteht, darauf wies der sowjetische Wissenschaftler Matyushin schon 1974 hin. An der Universität Edingburgh haben John S. Kopper und Stavros Papamarinopoulos diese Möglichkeit genauer untersucht und das Ergebnis 1978 in einem Aufsatz veröffentlicht (Human Evolution and Geomagnetism, Journal of Field Archaeology, Vol. 5, S.443-452, 1978)
Aus ihrer Arbeit geht hervor, dass wichtige Evolutionssprünge des Menschen zusammenfallen mit Richtungsänderungen des Erdmagnetfeldes, so das erste Auftreten des Pithecantropus ab dem Polsprung vor 690.000 Jahren und mit ihm auch der erste Gebrauch von Feuer und verbesserte Werkzeuge. Ab dem Polsprung vor 300.000 Jahren erscheinen der Homo sapiens und zeitgleich die Tayacien- und Clactonienkultur. Der Neanderthaler und mit ihm die Mousterienkultur tritt mit dem Polsprung vor 111.000 Jahren in Erscheinung. Er verschwindet mit dem Polsprung vor 32.000 Jahren und wird ersetzt durch den Cro Magnon, den modernen Menschen.
Betrachten wir einmal genauer den letzten Polsprung („Mungo“) vor 32.000 Jahren und die physiologischen und kulturellen Veränderungen, die mit diesen Ereignis verbunden sind. Kopper und Papamarinopoulos zeigen, dass damals der Neanderthaler ausstarb und wie aus dem Nichts der moderne Mensch auftaucht. Die Plötzlichkeit dieser Weiterentwicklung passt überhaupt nicht in das Konzept einer Evolutionslehre, bei der Weiterentwicklung vorangetrieben wird durch zufällige Mutationen und dem Überleben des Bestangepasstesten. Bei dieser Methode bedarf es viele Tausende von Jahren, um aus einem Neanderthaler einen Cro-Magnon hervorzubringen; auf jeden Fall müsste der Übergang ganz allmählich sein. Auch müsste man in den Ausgrabungen verfolgen können, wie der Cro-Magnong über Tausende von Jahren langsam seine hohe Kultur entwickelt. Aber beides ist nirgends zu finden, sehr zum Missvergnügen der Forscher.
Der Neanderthaler sah recht affenartig aus mit seiner niederen Stirn, fliehendem Kinn, dicken Augenwülsten und kurzen Beinen. Sein Nachfolger, der Cro-Magnon, hatte bereits eine Schädelform ähnlich unserer heutigen, war groß und langbeinig. Noch eindrucksvoller ist der kulturelle Sprung:
Die Fertigkeit des Neanderthalers hatte nicht weiter gereicht als zum Zurechtschlagen von Steinkeilen. Bei seinem Nachfolger findet man bereits zu Beginn seines Auftauchens wunderschöne Stein- und Holzfiguren, wie zum Beispiel die berühmte „Venus von Willendorf“, die 32.000 Jahre alt sein soll, also gerade so alt, wie dieser neue Menschentypus selbst. Es wäre zu erwarten, dass man in Ausgrabungen älterer Schichten verfolgen könnte, wie diese Menschen allmählich ihre neuen Fertigkeiten entwickelten, doch man fand bisher keine solchen „Übungsstücke“
Venus von Willendorf Foto: Cristina Perincioli
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