Was tun?

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Die Fragen der Gruppenexperimente, wie ich sie im ersten Jahr durchführte, hatten hauptsächlich den Zweck, herauszufinden, wie man sich auf eine solche unvorhersehbare Situation vorbereiten könnte, wo man sich aufhalten, wie sich schützen, welche Fähigkeiten man erlernen sollte.

Bei der Frage, wie die Katastrophe aussieht und wie die Erde danach, gab es viele übereinstimmende Antworten- nicht aber bei dieser Frage! Hier schienen die Antworten auf die Fragerin persönlich zugeschnitten zu sein; denn die jeweiligen Frauen konnten eine ganze Menge mit ihren Antworten anfangen, fühlten sich angesprochen, verwirrt, angeregt, herausgefordert – nur ließen sich daraus keine allgemein gültigen „Ratschläge für den Katastrophenfall“ herausdestillieren.

Vielleicht heißt es aber auch, dass es nicht so sehr darauf ankommt, körperlich unversehrt – denn unter Sicherheit verstehen wir ja erst Mal körperliche Sicherheit – zu überleben. Vielleicht sollten diese, manchmal scherzhaft anmutenden Antworten („Lernen auf einem Bein zu stehen“) unsere diesbezügliche Fixierung durchbrechen, uns von unserer Angst herunterholen.

Welche Fähigkeiten solltest du erlernen?
Zu dieser Frage erhielten dieTeilnehmerinnen der Gruppentrancen diese Antworten:
„Handwerkliches kann man vergessen. Ich müsste fliegen lernen.“ (49)
„Fliegen lernen, und zwar sofort.“ (45)
„Sehe mich auf einmal schweben in einer Wärmehülle. Kippe nach hinten und schwebe fast waagrecht über dem Boden und fühle mich dabei unbeschreiblich gut.“ (10)
„Alles müsste man besser können; nicht irgendein Beruf, sondern mit sich, seiner Seele und Körper… seine Ganzheit noch Mal erfahren.“ (51)
„Gelassen werden, cool, cool!“ (11)
„Zustand der Ruhe erreichen und lernen, auch andere Leute zur Ruhe überzeugen zu können.“ (69)
„Märchen erzählen können.“ (34)
„Alleine in sich selbst sein können.“ (26)

Mit wem solltest du dann zusammen sein?
Auf diese Frage gab es nie eine Antwort im Sinne einer konkreten Person. Stattdessen sahen sich viele Probandinnen allein, ohne Schutz durch Familie, Partner, Freundinnen. Zuerst waren sie darob bestürzt und traurig, stellten aber schließlich fest, dass es ihnen dabei recht gut ging, ja, dass sie sich sogar sehr stark und ruhig fühlten mitten in Schrecken und Chaos.

Diese und die Erfahrung des eigenen Todes sind meines Erachtens mitunter die wertvollsten Ergebnisse dieses Experiments. Viele der Frauen, die sich auf diesen „Horrortrip“ eingelassen hatten, erlebten, dass sie – auch mitten im Chaos – stark, klar, liebevoll und mit Würde ihr Leben meistern können.

Diese Ruhe und Gefasstheit führten sie darauf zurück, dass sie mit diesen Ereignissen bereits gerechnet hatten und nicht so grausam überrascht wurden, wie die andern Menschen:
„Einige liefen kopflos auf die Strasse, andere versuchten sie in Gruppen zu organisieren.
Ich selbst hatte Schwindelgefühle und Magenkrämpfe, musste aber auch ins Getümmel.
Ich sah mich als jemand, die die Katastrophe vorhergesehen hatte und nicht so kopflos war.“ (9)
„Panik, Rumschreien. Ich selbst bin gelassen, fühle mich geschützt“ (2)
„Sehe reinste Panik unter den Leuten. Sie stieben auseinander, es ist schrecklich“ (10)
„Leute rennen hektisch durcheinander. Ich selbst war ruhig; ich war eben nicht überrascht.“ (27)

Bei mir war das anders; ich sah mich nicht allein, sondern mitten in einer Menge mir unbekannter Menschen, mit denen ich vorzüglich zusammen arbeiten konnte; etwas was ich mir heute kaum zutrauen würde – wogegen mir das Alleinsein nicht die geringsten Sorgen macht.

Es scheint, als ob jede Fragerin genau die Antwort bekommt, die ihren Vorstellungen und Gewohnheiten am schönsten widerspricht. Als sollte jede herausgefordert werden, ihre Ängste und ihre Grenzen aufzugeben und sich all das zu trauen, was sie sich bisher versagt haben mochte.

Wo solltest du dann sein?
Diese Frage beschäftigte uns 1980 und 1981 am meisten: die leidige Frage nach dem Wohin-Auswandern. Doch darauf erhielten wir in den Zeitreisen nie eine brauchbare Antwort. Stattdessen sahen sich sieben Frauen in Erdhöhlen, zwei in Steinhäusern und drei im Himalaja, eine in einem U-Bahnschacht. Und nur wenige Frauen aus den hier zitierten Gruppenexperimenten hatten eine geographische Vorstellung davon, wo sich dieses Erdloch oder Steinhaus befand. Manche der Orte, die die Frauen angeben konnten, erschien keineswegs sicher, sondern eher besonders gefährdet zu sein, z.B. die Mittelmeer- oder Nordseeküste. Geht es gar nicht darum, an einem möglichst sicheren Ort zu sein?

Bedeutet dies, dass das Wichtigste nicht unbedingt das Überleben ist? Eine sagt: „Bisher wollte ich nach Australien. Das ist jetzt weg“ (26). Zwei Frauen antworteten auf diese Frage nach dem Wo, sie sähen sich mitten drin im Meer, wo es ihnen sehr wohl sei; die eine Frau sah sich bereits als Krebs. Eine dritte Frau – ebenfalls im Wasser – sah sich als Seerose.

Was können wir tun, um die Katastrophe zu verhindern oder abzuschwächen?

Mit dieser Frage hofften wir, Ideen zu bekommen, wie wir politisch effektiver gegen die fortschreitende Zerstörung anrennen könnten. Aber nichts dergleichen geschah. Dass diese recht philosophisch und passiv anmutenden Antworten von Frauen stammten, die selbst politisch aktiv sind, verwunderte uns besonders.
„Man darf nichts dagegen tun, muss sich wie von einer Welle mittragen lassen. Die Welle nimmt mich auf und setzt mich irgendwo ab. Ich hatte auch die ganze Zeit keine Angst.“ (48)
„Nicht dagegen, sondern sich darin bewegen können.“ (46)
„Ich hatte nicht das Gefühl abhauen zu müssen, diese Katastrophe muss kommen, soll sein, da müssen wir durch. Es kommt was neues.“ (72)
„Die Katastrophe ist total sinnvoll, ein Reinigungsprozess. Die wirkliche Katastrophe ist das, was jetzt ist! Als die Häuser einkrachten, war das wie eine Befreiung. Ja! Endlich!“ (26)
„Die Bäume sehnen sich alle nach Befreiung, dass sie endlich atmen können; alles sehnt sich nach Höherentwicklung. Streifen am Himmel, Gefahr, Grollen. Jetzt kommt’s also!“ (61)

Eine Möglichkeit, die Katastrophe zu verhindern, wurde ausnahmslos verneint und was da kommen sollte mit Nachdruck als notwendig, sinnvoll und von uns unabhängig und nicht kontrollierbar dargestellt. Als ob es sich nicht um die von Menschen gemachte ökologische Katastrophe, nicht um einen von Menschen ausgelösten Atomkrieg handelte, sondern um einen Vorgang, der unabhängig davon aus dem Weltall auf die Erde einwirkt.

„Ursache scheint ein kosmisches Ungleichgewicht zu sein. Verhindern? Erst müsse man den kosmischen Aspekt begreifen, einen Zugang dazu herstellen.“ (10)
„Gegen eine planetarische Katastrophe kann man nichts machen.“ (69)
„Pluto rast als Feuerball um die Erde, als ob er wütend wäre. Nicht das ökologische Ungleichgewicht ist die Ursache, sondern etwas von außen.“ (26)

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