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Paradigmenwechsel in der Geologie

Ein Eingeständnis von wiederholten, weltweiten Katastrophen hätte bedeutet, dass auch diese Welt endlich sein könnte, dass es Eingriffe geben könnte ob von Gott oder vom Kosmos die außerhalb der Kontrolle durch den Menschen liegen. Und gerade darum ging es der Wissenschaft in diesen letzten Hundert Jahren: um Kontrolle und Beherrschung der Natur.

Die Katastrophen-Forschung ist erst fünf Jahre alt. Im Juni 1980 publizierten der Nobelpreisträger Luis Alvarez und seine Arbeitsgruppe am Lawrence Berkeley Laboratory der Universität Berkeley eine Theorie und erste geologische Belege dazu, wie das weltweite Massensterben beim Übergang von der Kreidezeit zum Tertiär vor 65 Mio. Jahren erklärt werden könnte. Damals verschwanden viele Tierarten u.a. die Dinosaurier von der Erde. Gleichzeitig ermöglichte dieser Umbruch aber auch die Ausbreitung und Entwicklung der Säugetiere und der Bedecktsamer, der Blütenpflanzen. Geologen und Paläontologen konnten ein solches plötzliches und weltweites Massensterben („massextinction“) in der Geschichte der Erde mehrfach feststellen. Doch über Hundert Jahre lang war die Erforschung dieser Katastrophen tabu.

Dieses Tabu geht zurück auf einen berühmten Streit im Jahre 1830 zwischen den Verfechtern der Deszendenztheorie, der Abstammungslehre, und dem Baron de Cuvier, dem Begründer der Paläontologie.
„Er vertrat die Katastrophentheorie, nach der die Lebewesen periodisch durch Weltkatastrophen vernichtet und danach immer wieder neu erschaffen worden seinen. Obwohl damals Cuvier, der Redegewandtere, mit seinen falschen Ansichten siegte, konnte sich einige Zeit danach die Deszendenztheorie durchsetzten. Es war das Verdienst von Charles Darwin, der mit seiner Selektionstheorie die Deszendenztheorie wissenschaftlich untermauern konnte. Durch mannigfache Forschungsergebnisse aus der Erdgeschichte (..) wird die Deszendenztheorie heute nicht mehr in Frage gestellt“, lesen wir heute im „Schülerduden Biologie“ (Mannheim 1976).

Doch so klar und eindeutig war die Wirklichkeit auch damals nicht. Selbst Darwin war von schweren Zweifeln geplagt. In sein Tagebuch „The voyage of the H.M.S. Beagle“ schreibt er:
„Was hat denn so viele Spezies und Gattungen ausgerottet? Zuerst drängt es den Verstand unwiderstehlich zum Glauben an eine große Katastrophe, aber um auf solche Art und Weise große und kleine Tiere (…) zu vernichten, müssten wird den ganzen Globus erschüttern. Ein kleines physikalischer Ereignis hätte diese umfassende Vernichtung nicht nur in den beiden Teilen Amerikas, sondern auf der ganzen Welt, nicht hervorbringen können. (…) Bestimmt ist kein Faktum in der langen Geschichte der Welt so erschütternd, wie die weltweite, wiederholte Ausrottung ihrer Bewohner.“

Tatsächlich haben die Geologen die verschiedenen Schichten der Erde nach den darin enthaltenen Tieren und Pflanzen eingeteilt und datiert. Bestimmte Tiere gibt es nur in dieser oder jener Schicht. Sie sind plötzlich verschwunden und die nächste Schicht wird durch eine andere Fauna oder Flora bestimmt. Die Schalen der Ammoniten sind z.B. typisch für die Kreidezeit, im nachfolgenden Tertiär sind sie nicht mehr zu finden. Ihr Verschwinden ist so plötzlich, dass es sich nicht mit einer allmählichen Umwandlung in andere Arten erklären lässt, sondern nur mit einer katastrophalen Vernichtung.

Dies war schon vor Hundert Jahren bekannt, doch passte es nicht in das damalige Weltbild von einer „uniformen Evolution“. Diese und die Abstammungslehre waren damals verständliche Reaktionen gegen eine Bevormundung durch die Kirche mit ihrer Schöpfungsgeschichte. Der göttliche Schöpfer, der diese Welt in sechs Tagen erschaffen haben sollte, wurde nun ersetzt durch das Prinzip des „Zufalls“ und der „Auslese des Bestangepasstesten“, Mechanismen, die die Entwicklung der Tiere bis hin zum Menschen ganz allmählich und automatisch vorangetrieben haben sollten. Weltweiten Katastrophen hatten in diesem Konzept keinen Platz. Sie stellten eine Bedrohung dar für den damals aufkommenden Fortschrittsglauben. Ein Eingeständnis von weltweiten vergangenen Katastrophen hätte bedeutet, dass auch diese Welt endlich sein könnte, dass es Eingriffe geben könnte ob von Gott oder vom Kosmos die außerhalb der Kontrolle durch den Menschen liegen. Und gerade darum ging es der Wissenschaft in diesen letzten Hundert Jahren: um Kontrolle und Beherrschung der Natur.

Aus diesem selbstherrlichen Weltverständnis heraus begann nun die industrielle Revolution, eine schrankenlose Ausbeutung der Erde und schließlich die Zerstörung der Lebensgrundlage selbst. Hundert Jahre Fortschrittsglaube, Hundert Jahre Verdrängung von Katastrophen haben die Menschheit an den Rand der in diesem Fall selbst gemachten Katastrophe gebracht.

Dieses Gefühl, trotz aller wissenschaftlichen Anstrengungen, nun am Ende allen Fortschritts angelangt zu sein, hat jetzt auch die Wissenschaftler erreicht. Sie begannen die uns bevorstehenden ökologischen Zusammenbrüche mit ihren Computern zu berechnen (Global 2000 „Bericht an den Präsidenten“ Frankfurt 1980). Sie erstellen Modelle dazu, wie sich das Klima nach einem Atomkrieg verändern würde (Max Planck Institut, Mainz) Um Vergleiche für ihre Zukunftsmodelle zu haben, erforschen sie jetzt auch die vergangenen Katastrophen der Erdgeschichte.

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