Nahrung

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Manche Flechten und Algen sind essbar und sogar gesund. Viel anderes gibt es auch nicht.

In der Zeit nach der Katastrophe essen die Menschen „Wurzeln“ (Gabriele) „braunes und grünes Gemantsche, könnten Algen sein“ (Hella), „Algen und Flechten“ (Vera) „so was wie Blätter“ (Gabi) – kurz, eine Auswahl jener wenigen Pflanzen, die überleben konnten.

Später – in jenen Bildern, die ich unter „fernere Zukunft“ einordne – gibt es aber wieder Getreide (Karin) und man isst „Brot, etwas Gebackenes“ (Silvia); „Lauch, Preiselbeeren, Johannisbeeren, eine Ziege“ sieht Carsten, „aber kein Getreide, keine Kartoffeln und Zwiebeln“, in jenem Dorf wird weder gebacken noch gekocht.

Felix findet in einem Erdhaus verschiedene Gemüse. Es ist dort in Schüsseln gelagert und vermutlich schon früher gewachsen, denn das Tal vor der Erdhöhle ist nur erst mit Moos bewachsen, es ist also in der Zeit unmittelbar nach der Katastrophe. In dieser Konstellation erscheint mir diese Auswahl an Gemüse wie ein Hinweis – ein Fingerzeig – wenn man die speziellen Eigenschaften dieser Pflanzen auflistet; es waren:

Rettich: schwarzer Rettich wirkt entgiftend und Resistenz steigernd,
Knoblauch: hat eine Penicilin-ähnliche Wirkung, wichtig als Darm-Antiseptikum bei Epidemien
Zwiebeln: große Heilpflanze
Paprika: einer der wichtigsten Vitamin C Träger – vielmehr als Zitrusfrüchte. Vitamin C stimuliert das Immunsystem.

Moorrübe: enthält unter anderem jenen Farbstoff, der die Atmungsfermente aktiviert, die dafür sorgen, dass der Sauerstoff auch in die Zellen gelangt. Dieselben Gemüse finden sich auf einer Liste, die A. Karl in „Naturheilpraxis“ 8/80 veröffentlichte; sie enthält jene Pflanzen, die bei einer Atomreaktorunfall Schutz gegen die radioaktiven Stoffe und die Schwächung des Immunsystems bieten können.

Gegen das radioaktive Strontium 90, enthalten in den Fall-Out-Wolken von Atomanlagen, hilft eine vermehrte Aufnahme von Calcium; dieses findet sich in roten Beeten, Karotten, Lauch, Meerrettich, Nüssen.

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Blasentang Foto: Kristian Peters, 2005, GNU Free Documentation License, Version 1.2

Ganz oben auf der Liste rangieren aber Blasentang und irländisch Moos – beides Algen, die in der Nordsee wachsen und mit ihrem starken Jodgehalt einen Schutz gegen radioaktives Jod bieten, welches Lymphkrebs auslösen kann.

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Irländischmoos ist nicht, wie der Name vermuten lässt, ein Moos, sondern eine Alge namens Chondrus crispus (A-D), seltener Gigartina mamillosa (E-F), aus der Familie der Florideen. Bild: Franz Eugen Köhler, in Köhler’s Medizinal-Pflanzen 1887

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Irländischmoos, Chondrus crispus hier im Wasser Wikipedia, Creative Commons Attribution ShareAlike 3.0

Dass Algen sehr gut schmecken können, wissen wir von asiatischen Suppen. Die Grünalge („Meersalat“) soll wegen ihres hohen Gehalts an Eiweiß, Fett und Stärke in Zukunft kultiviert und als neue Nahrungsquelle erschlossen werden.

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Meersalat, ulva lactuca Foto: Kristian Peters 2006, GNU Free Documentation License version 1.2

Eine weitere Pflanzenart, die überleben kann, sind die Flechten. Dass man sie essen kann – zumindest einige von ihnen – war mir neu:

»Besonders in Dürrezeiten oder anderen Notjahren war es in nordeuropäischen und alpinen Regionen mit ihrem reichen Flechtenbestand selbst in unserem Jahrhundert noch üblich, mit Sodalösung vorbehandelte Flechten zu vermahlen und zu Anteilen bis 50% dem Roggenmehl zum Brotbacken beizumischen. Solches Brot das teilweise aus Flechtenmehl hergestellt wird, erwies sich als außerordentlich lagerungsfähig. Da die natürlich nicht vollständig extrahierten Flechtensäuren aufgrund ihrer antibiotischen Wirksamkeit das Wachslum unerwünschter Schimmelpilze verhinderten und damit ein allzu rasches Verderben des Brotes ausblieb. Dieser Effekt war auch für ähnlich hergestellten Schiffszwieback, den man auf längere Seereisen mitzunehmen gedachte, durchaus von großer Bedeutung.

Für diese Zwecke wurden überwiegend die Arten Cladonia rangiferina, Cl. alpestris. Cetraria islandica und Umbilicaria pustulata, die Nabelflechte gesammelt und verwendet.

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Rentierflechte, Cladonia rangiferina, hier die Unterseite.  Foto:Verisimilus Creative Commons Attribution 3.0

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Echte Lungenflechte (Lobaria pulmonaria) wird häufig als Heilpflanze verwendet
Foto: Schaude, GNU Free Documentation License, Version 1.2

Die auf der Krim, in der Kirgisensteppe, in Persien, Kleinasien und auch in Nordafrika verbreitete Flechte Lecanora esculenta hat die Eigenart sich beim Austrocknen sehr leicht vom felsigen Substral abzulösen. Diese Flechte ist ohne jede Vorbehandlung für den menschlichen Genuß sofort zu verwenden und wurde früher von den Tataren regelmäßig gesammelt, um zur Herstellung eines „Erdbrotes verwendet zu werden.

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Mannaflechte (Lecanora esculenta)

Lecanora esculenta schmeckt süss, was viele Beobachter veranlasste, sie als das im Buch Exodus nicht näher charakterisierte Manna des Alten Testaments zu bezeichnen. Jedenfalls hat sich für die Lecanora esculenta der deutsche Name „Mannaflechte“ eingebürgert

In Japan wird die blattartige, epilithische Flechte Umbilicaria esculenta (japanisch: Iwatake = Felsenpilz) gesammelt und als Delikatesse in Suppen und Salaten und selbst in gebratener Zubereitung vielfach verwendet.« (aus: „Flechten – Doppelwesen aus Pilz und Alge“ Guido B. Feige & Bruno P. Kremer, Kosmosbibliothek 302, Stuttgart, 1979)

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„Sie essen grünes Gemantsche“, hier Umbilicara esculenta, Foto:Joe MabelGFDL granted by photographer.

Nun, Flechten und Algen mögen zwar essbar und sogar gesund sein, aber ob man damit überleben kann? Immerhin sind wir gewohnt, täglich im Durchschnitt 3.300 Kalorien mit 157 Gr. Fett 100 Gr. Protein und 380 Gr. Kohlenhydraten zu konsumieren. (Nach einer Statistik des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums)

Es gibt aber Kulturen, die mit viel weniger auskommen; so zum Beispiel die Hunza (Nordpakistan). Sie brauchen im Durchschnitt weniger als 2.000 Kalorien, nur 30 Gr. Fett und 50 Gr Protein. Die Hunza sind berühmt für ihre große Zahl an Hundertjährigen, von denen übrigens mancher in 24 Stunden 45 km wandern kann. (National Geographic, Jan.,1973)

Dass knappe Nahrungszufuhr körperliche Leistungsfähigkeit und Ausdauer erhöht, bewies der Amerikaner Park Barner, der 1973 vor einem Marathon lauf eine Woche lang nur von Frucht und Gemüsesäften lebte. Er schlug damals seine eigene Bestleistung um eine halbe Stunde. (Runners World, 1973)

»Der Grad der physiologischen Degeneration eines Menschen lässt sich daran ermessen, welche Proteinmengen er benötigt, um sein Normalgewicht zu halten. Hohe Proteinbedürfnisse zeigen an, dass Organe, Blutgefässe und Lymphsysteme verstopft sind.« (Viktoras Kulvinskas, „Leben und Überleben“, München,1983)

Das heißt also: je mehr proteinreiche Nahrung wir aufnehmen, desto verstopfter werden die Gefäße, umso weniger Protein erreicht die Zellen, umso mehr Protein verbrauchen wir.

»Wenn man sich von Früchten, Keimlingen und rohem Grün ernährt – Nahrungsmittel, bei denen Protein in vorverdauter Form von Aminosäuren und Enzymen vorkommt – hilft man dem Körper, den Krankheitszustand zu überwinden. Am schnellsten werden die Lymphgefäße gereinigt, wenn man fastet«  (Kulvinskas S.48)

Bezieht man diesen Aspekt – den Zustand unserer Verdauungsorgane – in die Ernährungsfrage mit ein, wird klar, dass die so viel bescheidenere Ernährungsweise anderer Völker kein Kunststück, keine Ausnahme ist, sondern die Normalität, zu der auch die Überlebenden nach der Katastrophe notgedrungen zurückfinden.

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