Flut

icon_drucker2

Die Flutwelle zerstört die Westküsten Europas und reicht bis Berlin. Im Zurückfließen reißt sie alles mit sich ins Meer. Eine kahle Fläche bleibt zurück.

Bei den Gruppenexperimenten 1982 berichteten von den 59 Frauen, die Bilder von der Katastrophe sahen, 18 von einer Flut – ein knappes Drittel. In den Einzelversuchen zwei Jahre später beschrieb ein Viertel der Beteiligten diese Flut.

Nun gehört die Flut zum Inbegriff für eine Katastrophe; jedes Jahr können wir im Fernsehen Überflutungen sehen, seien sie in Pakistan, den USA oder an der Mosel. Meistens sind es Folgen erhöhter Niederschläge. Auch die Biblische Sintflut war das Ergebnis eines lang andauernden Regens, die Fluten stiegen langsam bis auch die Arche Noah sachte abhob.

Interessant ist nun, dass alle hier gesammelten Flutbeschreibungen nicht diesem bekannten Schema nach Art der „Sintflut“ folgen, was zeigt, dass es sich nicht um „Phantasien“ oder „Erinnerungen“ kollektiver Art handelt. (1984 gab es noch keine Tsunami-Bilder im Fernsehen, der Begriff war damals nur Spezialisten bekannt) Nein, sie stimmen darin überein, dass diese Flut nichts mit Regen zu tun hat, keine langsam ansteigender Wasserspiegel ist, sondern eine Flutwelle, die vom Meer wie eine Wand über das Land hereinbricht:

„Ich bin am Meer. Eine riesige Welle kommt und zerstört alle Häuser“. (25)
„Lauter schwarze Wellen kamen auf mich zu“ (53)
„Sah einen Stahlzaun, der Wasserfluten abhalten sollte und unterging. Fluten kamen, alles wurde ganz dunkel. Ich stieg auf etwas Schwimmendes, versuchte das zu bewältigen, ich hatte keine Angst“ (35)
„Flutwelle, die stehen bleibt“ (28)
„Einzige graue Wasserwand“ (45)
„Eine Bucht in Italien, die ich kenne, und die nun überflutet ist. Riesige, schöne Wellen.“ (67)
„Flut“ (2)

Liest man nach, wie Flutwellen entstehen, wird deutlich, dass diese Bilder keineswegs zufällig auftauchen, sondern die logische Folge auf die Bilder von Vulkanismus und jenem „Torkeln“ der Erde darstellen. Es ist bekannt, dass unterseeische Vulkanausbrüche und Erdbeben Tsunamis hervorbringen; Oberflächenwellen, die sich mit 700 km/Stunde ringförmig vom Herd ausdehnen und gelegentlich sogar mehrere Ozeane durchqueren können. Die Halbinsel Kamtschatka erlebte 1937 einen Tsunami von 70 m Höhe. Ein Erdbeben in Alaska erzeugte 1958 eine 227 m hohe Welle, die dann an der Nordküste sogar auf 573 Meter anwuchs. Beim Ausbruch des Santorin 1.500 v. u, Z. schwemmte eine Flutwelle die auf dem Meer treibende Bimssteinschicht auf die Täler und Berge Kretas und zwar bis auf 250 Meter Höhe: Man fand den Bims am oberen Rand der Täler, hätte der Wind ihn gebracht, wäre er an windgeschützten Stellen abgelagert worden und nicht auf den Höhen.

Von einer Überflutung in Zusammenhang mit einem Vulkanausbruch berichtet Rosa. Sie beschreibt einen Vulkan und die ihn umgebende Landschaft, die bis zum Horizont von derselben Farbe eingestäubt ist, woraus man schließen kann, dass der Ausbruch kurze Zeit zurückliegt. Als ich sie auffordere, ein Dorf oder eine Stadt dort in der Nähe zu finden, erzählt sie:

„Da komm ich erst wieder an den Ozean“
– Gibt es da Bäume?
„Ja, Palmen, aber wenig. Der Strand ist noch weiß“
– Wenn du dem Strand entlang gehst, was findest du da?
„Keine Menschen, komisch. Nur Gebäude, ausgewaschen, als wäre das Meer über die Gebäude rüber und hätte sich dann wieder zurückgezogen: Eine Art Ruinen.“

Doch auch ohne Vulkanausbrüche oder Erdbeben, wenn man allein die Wirkung einer plötzlichen geringen Schwankung der Rotation betrachtet, wird deutlich, dass dieses kurze „Torkeln“ der Erde gewaltige Wellen auf den Meeren auslösen muss. Die Ströme der Meere richten sich nämlich in erster Linie nach dem Äquator: Dort dreht sich die Erde am schnellsten und zwar mit 167 km/h, in Europa nur noch mit etwa 108 km/h. Durch ihre Trägheit haben die Wassermassen am Äquator die Tendenz zurückzubleiben, es bilden sich die der Rotationsrichtung entgegengesetzten Nord- und Südäquatorialströme, die alle übrigen Strömungen auf beiden Seiten des Äquators antreiben und bestimmen. Ändert sich nun plötzlich die Richtung des Hauptflusses, stoßen neue und alte Ströme aufeinander…

Hella betrachtet die Erde von außen:
„Als ob an den Polen sich Masse konzentriert und mit Wasser in einen Wirbel gerät, während es am Äquator zu Brechungen kommt, zu Wasserfontänen, Riesenwellen, als würde aus der Erde quasi das Gewicht nach außen gehen. Ja, es ist wie eine schnelle Bewegung, wie Wirbel, die das Wasser um den Äquator herumwirbeln. Die Kontinente wirken lächerlich klein und werden immer kleiner, wie Inseln.“

Dieses letzte Bild scheint die Überschwemmungen nach der Springflut zu beschreiben,
Näher an der Erde, im Detail betrachtet, zeigt sich folgendes Bild:
„Ich sehe jetzt, dass ich auf Spanien zusteuere, und es sieht genauso aus, wie auf dem Globus; ich sehe auch Italien und England. Die Küstenlinien von Italien und Spanien sind auffällig klar: es ist, als ob ein Riesenbagger vom Meer aus alles hingeschaufelt und aufgeschichtet hätte, so dass es ganz grade nach unten geht. (.,) Es ragt etwa drei Meter hoch über den Meeresspiegel. Zum Landesinneren ist es dann erst mal ganz flach – ich bin jetzt hier in Spanien. Ganz viel Geröll. Ich sehe erst mal keinen Baum, es sieht irgendwie tot aus. (Christiane)

Berichte von einer Flut hatte ich in Küstenstädten erwartet, aber auch in Stuttgart und Tübingen berichteten Teilnehmerinnen von einer Flut. Auffällig viele gab es in Berlin. Wie war das zu erklären? Zu Denken gab mir auch, als zwei Freundinnen unabhängig von einander den gleichen Traum erlebten; beide sehen im Traum, wie sie sich im westlichen Außenbezirk von Berlin befinden und plötzlich eine riesige Wasserwand auf sie zustürzt.

Berlin liegt etwa 150 km von der Ostsee und etwa 350 km von der Nordsee entfernt und nur 33 Meter über dem Meeresspiegel. Das Gelände entlang der Elbe zwischen Berlin und der Nordsee ist flach: Lüneburg liegt nur 11 Meter, Uelzen nur 32 Meter über Meer. Auch die Vereinzelten Hügel von etwa 170 Metern Höhe sind für eine Wasserwand von 200 bis 500 Meter Höhe kein Hindernis. So gesehen könnte sogar Berlin von der Flutwelle erreicht werden.

Danach würden die Wassermassen wieder ins Meer zurückfließen. Mir scheint, dass Felix ein solches Zurückfließen beobachtet; er steht in einer Bucht:
„Das Wasser ist ganz aufgewühlt, links und rechts sind Felswände, an die die Wellen heran donnern. Der See, den ich vorhin sah, muss hinter mir sein, das Land liegt höher (als das Meer). Jetzt kommt so was wie ein Wasserfall runter, oder ist es das Meer, was vertikal steht? Nein, es ist ein Wasserfall. Es ist eine Dreckbrühe: alles mögliche rauscht da runter in’s Meer. Grün, Bäume, Häuser rauschen da runter. Das Wasser vom Land reißt die ganzen Sachen runter ins Meer. Es ist wie die Sintflut, das ist schon mehr als ein Sturm. Du siehst überhaupt nichts mehr, da ist nur noch Gischt, da fließt die ganze Suppe rein. Einiges hält sich fest an dieser Felsenküste. Jetzt hat es aufgehört. (…)
Jetzt klettere ich mal die Felswand hoch zum Plateau.
Die Sonne scheint wieder. Aber jetzt ist der gesamte Sand weg. Nur noch spitze Steine sind da, alles trocken, aber es wird schon wieder grün jetzt. Überall kleine Pfützen, jetzt ist da schon Moos.“

Später, als Felix die Umgebung von Flensburg beschreibt, fäll auf, dass es dort keine alles vernichtende Flut gegeben hat. Nimmt man an, der Atlantik breche über die Nordseeküste herein, so wird auch die Ostsee demselben Impuls folgen und nach Osten hin das Land überfluten und nicht in entgegengesetzter Richtung.

Was man beim ersten Lesen als Widerspruch empfindet, zeigt bei genauerer Überlegung, wie logisch die hier präsentierten Beobachtungen sind.

Schreibe einen Kommentar

Ich stimme der Speicherung und Verarbeitung meiner Daten nach der EU-DSGVO zu und akzeptiere die Datenschutzbedingungen.