Experimente mit Gruppen
Mit demselben Tonband experimentieren wir 1981 in Berlin und fünf Städten der Bundesrepublik. Die Ergebnisse werden protokolliert, geordnet. Gibt es für diese vielen ähnlichen Bilder psychoanalytische Erklärungen? Fragen an Stan Grof.
Die Aktion wurde jeweils im örtlichen Frauenzentrum oder Frauengesundheitszentrum angekündigt und fand auch dort statt. Die Teilnehmerinnen kamen alle aus dem Umfeld der Frauenbewegung und sind damit auch engagiert oder zumindest informiert in ökologischen und friedenspolitischen Fragen, einige hatten auch Erfahrungen mit Meditation und autogenem Training.
Um die Frage zu klären, ob nur Frauen diese „Zukunft“ sehen, oder ob dies gar Abbilder feministischer Wünsche seien, habe ich später dasselbe Experiment auch mit Männern durchgeführt. Bisher habe ich noch keinen Mann gefunden, der Bilder sah, die sich von denen der Frauen unterschieden hätten.
Nach einem einführenden Gespräch legten sich die Frauen – es waren Gruppen zwischen 10 und 40 Teilnehmerinnen – auf den Boden, schlossen die Augen und lauschten dem Tonband. Zuerst hörten sie die Entspannungshilfen, später die einzelnen Fragen, nach Bilder, jeweils im Abstand von einer Minute. Nach dem Ende des Bandes ließ ich die Frauen ihre Erlebnisse und Erkenntnisse notieren, dann erst setzten wir uns in einen Kreis zusammen und tauschten uns darüber aus.
Nicht alle Frauen hatten etwas „gesehen“; einige waren eingeschlafen, weil sie Angst hatten, möglicherweise schreckliche Bilder zu sehen, wie sie selbst sagten. Und andere meinten, sie wären nicht tief genug entspannt gewesen. Die Erzählungen der übrigen 85 Frauen habe ich protokolliert, sortiert, und ich unternahm einen Versuch, sie zu vergleichen und auszuwerten.
Die meisten Übereinstimmungen fanden sich bei der Beschreibung der Katastrophe selbst. Von 59 Berichten einer Katastrophe beschrieben 25 sie als Vulkanausbruch und Erdbeben, 18 erlebten eine alles verschlingende Flutwelle und 15 berichteten von merkwürdigen Phänomenen am Himmel, wie „Lichtkreise“, „glühende Kreise“ „rote Kugeln am Himmel“, „Sonnenball stürzt in die Fluten“ „Kometen fallen vom Himmel“ „riesiger, glühender Stein fällt vom Himmel“.
Die Berichte von Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Flut erfasste ich lediglich statistisch – schenkte ihnen aber keine weitere Beachtung. Zu offensichtlich schien mir, dass dies Bilder waren, die einem automatisch einfallen, wenn man sich eine Katastrophe vorstellen soll.
Zu Denken gab mir allerdings, dass keiner der 59 Berichte über die Katastrophe Bilder zeigte, die eindeutig als Kriegsszenen identifiziert werden konnten. Es gab darin zwar Brände, Explosionen und Pilzwolken, doch all das entsteht genauso bei Vulkanausbrüchen. Dabei hatten wir doch zuallererst Angst vor einem Atomkrieg. Jemand, der z.B. in Berlin wohnt, fühlt sich dagegen schwerlich von einem Vulkanausbruch bedroht, so wie jemand in Stuttgart sich auch nicht vor einer Flutwelle fürchtet. Trotzdem sahen sie dies und nicht den uns viel naheliegender erscheinenden Krieg.
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