Die Erde danach – Gabriele

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Gabriele M.

– Wo befindest du dich?
„In Europa. Vielleicht, weil der Himmel ähnlich ist wie hier. Es ist eine Landschaft, wo vorher Wald war, wie hier auch.
Es gibt so wenige Tiere und nur kleine, so wie Mäuse und Frösche, aber auch wenig Menschen. Die Pflanzen sind niedriger, nur Gräser und Moose, keine Bäume. Es riecht ganz gut nach Moos. Der Boden federt, gibt nach wie Moos; schön zum Laufen drauf.“

– Ist es kalt da?
„15°C, immer dasselbe Wetter.“
– Sommer und Winter gibt es nicht?
„Nein. Der Himmel ist dunkler, wie wenn die Sonne nicht so viel scheint. Grau, aber ohne Wolken, eine große graue Fläche ohne Form. Kein Stück blauer Himmel.“

„Meine Stimmung ist nachdenklich, aber ganz zufrieden. Ich gucke nach Tieren, ob ich kleine Tiere sehe, so wie eine Gesellschaft. Ich glaube, ich sammle was.
Es gibt andere Frauen, die wie ich herumlaufen. Wenn ich jetzt weiterlaufe, könnte ich eine treffen, die auch etwas sucht, vielleicht Wurzeln – das ist wie ein Wurzelgeflecht, Luftwurzeln auf dem Boden. Denn Humus gibt es nicht viel, darunter zerbrochene Steine.

Wir essen die Wurzeln, die kann man kauen. Ich bin ja noch nicht lange da; das ist so neu. Kann sein, dass man die Algen – sind lauter kriechende Pflanzen da – auch essen kann. Aber ich koche nichts. Wir begegnen uns manchmal, denn jede läuft für sich und sucht. Jede ist ganz nachdenklich und will für sich allein sein.“

– Wie unterhaltet ihr euch?
„Sie sind mir vertraut, als ob wir uns gekannt hätten. So wie nach ganz schweren Zeiten: Jede muss sich erst wieder sammeln. Jede muss neu begreifen, was ist. Aber es ist gut zwischen den Frauen.“

– In welcher Sprache sprichst du mit ihnen?
„Wir lächeln uns an und wir zeigen uns viel. Ich glaube, dass wir uns an die Sprache erinnern, aber wir verwenden sie nicht mehr. Wir wissen die Worte alle noch, aber die sind nicht mehr anzuwenden auf diese Welt dort. Wenn wir uns sehen, betrachten wir uns lange, Wir nehmen eine beim Arm, damit sie mitkommt und wir ihr was zeigen, vielleicht wo Tiere sind, um die zu begrüßen, dass kleine Tiere wieder da sind.“

– Sind da auch Kinder?
„Seh‘ ich nicht. Meine Mutter ist nicht da, meine Schwester auch nicht. Die wollen keine Kinder. Vielleicht gibt es die später. Ich sehe jetzt nur, wie sich jede orientiert.“
– Gibt es Orte, wo auch Männer sind?
„Vielleicht, aber es gibt keine Begegnungen.“

– Du meintest, da sei eine Stadt in der Nähe gewesen. Wie sieht die jetzt aus?
„Die ist begraben unter dem Wurzelgeflecht. Wie eine Schutthalde. Was eine Stadt war, ist jetzt eine Halde.“

– Siehst du älter aus?
„Nicht viel. Ich hab Lumpen an, Kleider sind ganz rar. Etwas grob Gewebtes und das Einzige, was ich habe.“

– Hast du dich in deinem Wesen geändert?
„Ich bin zufriedener, ruhiger. Ich freue mich, wenn ich eine sehe. Wir sind so wissend und so genügsam, aber erst mal auch scheu. Das Leben in der Gemeinschaft, das war vielleicht schwer gewesen vorher. Es ist, wie wenn wir überlebt haben. Aber ich sehe keine Katastrophe… es ist etwas ganz langsam gegangen und hat etwas gereinigt. Es ist, wie wenn wir überleben durften und wieder anfangen mit den anderen.“

– Habt ihr eine Gemeinschaft?
„Einige haben vielleicht diese Geflechte, diese Hütten, etwas näher zusammengerückt, aber wir reden nicht mehr so viel. Wir beobachten mehr. Jede läuft sehr viel tagsüber durch diese Landschaft und beobachtet die Pflanzen und sammelt die Wurzeln. Jede hat eben eine schwere Last von der Vergangenheit. Als ob du was Schweres erlebt hast, das dich noch lange beschwert.“
– Ihr sprecht nicht darüber?
„Wir wissen es alle.“

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